Müller-Thurgau – Top oder Flop?

Über den Müller-Thurgau wird in der Weinwelt viel diskutiert. Dabei gehen die Ansichten über Vorzüge dieser Rebe weit auseinander. Top oder Flop? Die Kritiker sprechen von langweilige, charakterlosen Weinen und machen teilweise den Müller-Thurgau sogar dafür verantwortlich, dass die Popularität deutscher Weine in den letzten Jahren gesunken ist. Und den Winzern aus Neuseeland wird vorgeworfen, Chancen zu verpassen, weil sie sich viel auf Müller-Thurgau konzentrieren. Auf der anderen Seite wird diesen Weinen Eleganz, Leichtigkeit und ein blumiges Aroma mit Anklängen von Muskat zugeschrieben. Zusätzlich versuchen Befürworter mit den wirtschaftlich hochinteressanten Ertragszahlen zu überzeugen.

Die Experimente des Botanikers Hermann Müller:

Eines Tages im Jahre 1882 dachte sich der Botaniker Professor Hermann Müller, der ein ausgewiesener Rieslingliebhaber war, dass es doch möglich sein müsste, seine Lieblingsrebe auch in seiner Heimat anzupflanzen. das Problem dabei war, dass er im schweizerischen Thurgau war, und der Riesling noch nie dafür bekannt war sich eher kühlere Standorte auszuwählen. Deshalb kam Professor Müller die zündende Idee. Warum nicht einfach Riesling anpflanzen, der viel früher reif wird? Damit wären die klimatischen Probleme weitgehend gelöst. Und all diese Überlegungen brachten ihn dazu an der Geisenheimer Forschungsanstalt Riesling mit dem viel früher reifenden Silvaner zu kreuzen. 1891 kehrte der eifrige Forscher mit 150 Stöcken seines Experiments in die Schweiz zurück und versuchte sein Glück an Lagen nahe des Zürichsee, um mit der Auswahl der besten Klone zu beginnen. Nach einer langwierigen Beobachtungszeit von 6 Jahren wählte er einen seiner Sämlinge zum endgültigen Gewinner aus und vermehrte diese. Kurz vor dem ersten Weltkrieg kam diese neuartige Rebe dann auch nach Deutschland, wo sie allerdings erst nach 1945 wirklich an Bedeutung gewann. Beim Wiederaufbau der Weinindustrie in Deutschland wurde eine Rebe benötigt, die bei wenig Aufwand viel Wein von akzeptabler Qualität lieferte. Der sogenannte Müller-Thurgau erfüllte diese Bedingungen perfekt. Als die Liebfraumilch, ein süßlicher, billiger Weintyp, der zu Zeiten die Hälfte des deutschen Weinexports ausmachte, ihren internationalen Siegeszug antrat, wurde Müller-Thurgau zu einer der Basisreben. Durch die immer wachsende Rebfläche übertraf diese Sorte gegen 1970 sogar den Riesling und ist inzwischen die meistgenutzte Rebe in Deutschland. Die Vorgaben für Liebfraumilch enthielten, dass ein sehr hoher Restzuckergehalt vorhanden sein musste. Das führte dazu, dass dem Wein Süßreserven hinzugefügt wurden, was zwar ein kommerzieller Erfolg war, aber den Ruf deutscher Weine nicht förderte.

Müller-Thurgau Rebe im WeinbergHat sich Professor Müller geirrt?

Soweit die Geschichte des Müller-Thurgau, wie sie überall bekannt ist. Aber es gibt einen interessanten kleinen Aspekt, der den Anlass zu Nachforschungen gab. Der Müller-Thurgau reift zwar sogar noch früher als der Silvaner, zeigt aber sonst keinerlei botanische Ähnlichkeiten mit dieser Rebsorte. DNS-Tests, die daraufhin in Auftrag gegeben wurden, ergaben tatsächlich, dass Müller-Thurgau vermutlich eher eine Kreuzung aus zwei Rieslingsorten als aus Riesling und Silvaner ist. Aber hat sich der Botaniker Hermann Müller wirklich geirrt? Bewiesen ist das noch nicht. Und eigentlich für die heutige Weinwelt auch recht egal, denn der Müller-Thurgau ist zwar nicht unumstritten, aber das wird vermutlich seinen Siegeszug nicht aufhalten.

Anbauländer des Müller-Thurgau:

Deutschland, England, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz, Slowakei, Ungarn, USA, Neuseeland, Australien, Kroatien, Tschechien

Typische Aromen:

Ein guter, typischer Müller-Thurgau weist ein blumiges, leicht fruchtiges Aroma leicht in die Richtung von Muskat auf. Einfachere Weine sind eher neutral mit leichten Kräuternoten.

Köstliche Kombinationen:

Als Aperitif oder Abendwein können die meisten Weine aus Müller-Thurgau genossen werden. Des Weitern passen sie zu folgenden Gerichten:

Vorspeisen: herzhafte Quiche-Varianten, roher oder gekochter Schinken

Fisch: Pochiert oder gedünstet

Käse: Raclette, Fondue